Private Pflegeversicherung – wie wichtig ist sie?
Die gesetzliche vorgeschriebene Pflegepflichtversicherung muss in Deutschland jede/r haben. Wie wichtig ist es, sie durch eine Private Pflegeversicherung, auch private Pflegezusatzversicherung genannt, zu ergänzen? Das wird in diesem Beitrag erläutert.
Pflegepflichtversicherung
Wie erwähnt, muss diese in Deutschland jede Person haben. Gesetzliche Krankenversicherte sind in der gesetzlichen Pflegeversicherung versichert, privat Krankenversicherte in der privaten Pflegepflichtversicherung. Die Leistungen der beiden Systeme sind gleichwertig und hängen von 2 Faktoren ab: Vom Pflegegrad und der Art der Pflege (ambulant, also zu Hause, oder stationär, also in einem Pflegeheim).
Pflegegrad
Dieser wird in der gesetzlichen Pflegeversicherung festgestellt vom MDK, dem medizinischen Dienst der Krankenkassen. In der privaten Pflegeversicherung ist hier die Firma Medicproof zuständig. Diese ist ein Tochterunternehmen des Verbandes des Verbandes der Privaten Krankenversicherer.
Die Kriterien für die Feststellung des Pflegegrades sind bei beiden gleichwertig. Es gibt 5 Pflegegrade, die folgendermaßen definiert sind:
- Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
- Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
- Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
- Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
- Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit
besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.
Diese Beschreibungen sind meines Erachtens ohne weitere Erläuterungen missverständlich. Dazu aus meiner Verwandtschaft ein reales
Beispiel:
Verwandte, Ende 70, verwitwet, keine Kinder. Sie lebt allein in ihrem Haus und kommt im Großen und Ganzen noch gut zurecht. Seit einiger Zeit hat sie jedoch Defizite bei der Mobilität (sie kann größere Strecken nur mit Hilfe eines Rollators gehen). Dazu kommen erste Anzeichen einer Demenz, die sich in Problemen mit zeitlicher und örtlicher Orientierung, im Treffen von Entscheidungen und in Erinnerungslücken äußern.
Auf meine Initiative hin wurde sie vom MDK begutachtet und in Pflegegrad 2 eingestuft. Das hat den Vorteil, dass sie Geld von der Pflegeversicherung erhält.
Art der Pflege und Leistungen
Die Pflegeleistungen unterscheiden sich nach Art der Pflege wie folgt:
- Die ambulante, also häusliche Pflege erfolgt durch Angehörige oder andere ehrenamtlich tätige Personen.
Die Leistungen der Pflegeversicherung betragen dann bei
Pflegegrad 1: keine Leistung
Pflegegrad 2: 316 Euro monatlich
Pflegegrad 3: 545 Euro monatlich
Pflegegrad 4: 728 Euro monatlich
Pflegegrad 5: 901 Euro monatlich.
- Die Betreuung erfolgt durch einen ambulanten Pflegedienst. Dann gibt´s bei
Pflegegrad 1: 125 Euro monatlich
Pflegegrad 2: 724 Euro monatlich
Pflegegrad 3: 1.363 Euro monatlich
Pflegegrad 4: 1.693 Euro monatlich
Pflegegrad 5: 2.095 Euro monatlich.
Das sind die Höchstbeträge. Es werden nur die tatsächlich anfallenden
Kosten bezahlt.
- Und schließlich bei vollstationärer Pflege, also Unterbringung in einem Pflegeheim:
Pflegegrad 1: 125 Euro monatlich
Pflegegrad 2: 770 Euro monatlich
Pflegegrad 3: 1.262 Euro monatlich
Pflegegrad 4: 1.775 Euro monatlich
Pflegegrad 5: 2.005 Euro monatlich.
Seit 2022 übernimmt die Pflegeversicherung bei längeren Aufenthalten zusätzlich einen Teil der Pflegekosten. Zu diesen zählen nicht die Unterbringungs- oder Verpflegungskosten.
Warum private Pflegeversicherung: Kosten bei vollstationärer Pflege
Die monatlichen Kosten bei Unterbringung hängen natürlich in erster Linie vom Pflegegrad ab. Und dann vom Pflegeheim selbst. Hier spielen die Region und die Ausstattung eine Rolle. Die folgende Übersicht gibt daher nur die ungefähre Preisspanne wieder. Dabei lasse ich Erfahrungen aus meiner Familie einfließen. Meine Mutter war in ihren letzten Jahren in einem Pflegeheim. Dort „durchlief“ sie bis zu Ihrem Tod die Pflegegrade 3 bis 5.
Pflegegrad 1: 2.000 bis 2.500 Euro monatlich
Pflegegrad 2: 2.500 bis 3.000 Euro monatlich
Pflegegrad 3: 2.800 bis 3.500 Euro monatlich
Pflegegrad 4: 3.300 bis 4.300 Euro monatlich
Pflegegrad 5: 4.200 bis 5.200 Euro monatlich
Diese Kosten müssen aus laufenden Einnahmen und der Leistung der Pflegepflichtversicherung gedeckt werden. Diese Einnahmen können sein: aus Vermietung, aus Kapitalvermögen, der Rente oder sonstigen Quellen (z.B. Verwandtschaft).
Die Frage ist: reicht das? Falls nein, sollte man sich zu dem Thema beraten lassen. Zum Beispiel hier.
Warum private Pflegeversicherung: Kosten für einen ambulanten Pflegedienst
Auch hier hängen die monatlichen Kosten in erster Linie vom Pflegegrad ab. Und dann vom ambulanten Pflegedienst. Die folgende Übersicht gibt auch wieder nur die ungefähren Preise wieder, ohne Gewähr.
Pflegegrad 1: ca. 600 Euro monatlich
Pflegegrad 2: ca. 1.500 Euro monatlich
Pflegegrad 3: ca. 2.600 Euro monatlich
Pflegegrad 4: ca. 4.000 Euro monatlich
Pflegegrad 5: ca. 4.600 Euro monatlich
Es stellt sich die gleiche Frage wie oben:
Diese Kosten müssen aus laufenden Einnahmen und der Leistung der Pflegepflichtversicherung gedeckt werden. Diese Einnahmen können sein: aus Vermietung, aus Kapitalvermögen, der Rente oder sonstigen Quellen (z.B. Verwandtschaft).
Die Frage ist: reicht das? Falls nein, sollte man sich zu dem Thema beraten lassen. Zum Beispiel hier.
Wichtig zu wissen: Ein ambulanter Pflegedienst bedeutet nicht Pflege rund um die Uhr. Stattdessen kommen täglich ein- oder mehrmalig professionelle Pflegekräfte zu Hause vorbei, um die pflegebedürftige Person zu versorgen.
Damit komme ich zurück zum
Beispiel meiner Verwandten,
denn hier ergibt sich eine besondere Problematik:
Die größte Sorge ist, dass sie zuhause stürzt und es niemand bemerkt. Sie könnte alleine nicht aufstehen, selbst wenn sie sich nicht dabei verletzt. Zwar hat sie einen Hausnotruf am Handgelenk. Aber es ist fraglich, ob sie daran dächte, den Knopf zu drücken. Und falls sie das Bewusstsein verliert, sowieso nicht.
Darüber hinaus bräuchte sie jemanden, der sie motiviert und sagt, was zu tun ist und ihr dabei hilft: Essen, Trinken, Haushalt versorgen, Einkaufen, regelmäßige Medikamenteneinnahme…Wie erwähnt, schwindet ihre Entscheidungskompetenz.
Möglichkeit 1 wäre, dass sie sich in ein Pflegeheim begibt. Das will sie aber auf keinen Fall.
Möglichkeit 2: Eine Haushaltshilfe, die dauerhaft bei ihr wohnt. Diese Möglichkeit ist bekannt. Meistens sind es Frauen aus osteuropäischen Ländern, die von entsprechenden Agenturen vermittelt werden. Kosten pro Monat, wenn man es über eine seriöse, legale Agentur macht: 2.000 bis 3.000 Euro pro Monat.
Ein ambulanter Pflegedienst leistet das nicht. Und weil es sich um eine private Hilfe handelt, zahlt die Pflegeversicherung in diesem Fall auch nur die oben erwähnten 316 Euro monatlich für Pflegegrad 2.
Was folgt daraus für die private Pflegeversicherung?
Es gibt für die private Pflegeversicherung mehrere sehr gute Anbieter mit jeweils mehreren Tarifen. Dabei kann die Leistung in Abhängigkeit vom Pflegegrad gewählt werden. Je höher der Pflegegrad, umso höher ist die Leistung.
Sinnvoller in Anbetracht des Beispiels meiner Verwandten ist meiner Meinung nach ein Tarif, der bereits bei niedrigem Pflegegrad – also spätestens ab Pflegegrad 2 – den vollen Betrag leistet.
Warum solltest du diese Versicherung schon in jungen Jahren machen?
- Weil sie dann billiger ist. Es ist wie bei allen Versicherungen, bei denen die Gesundheit bzw. ihre Minderung eine Rolle spielt. Also z.B. Berufsunfähigkeitsversicherung, Private Krankenversicherung oder eben Private Pflegeversicherung.
Monatliche Prämie für eine vernünftige Absicherung in jungen Jahren: 30 bis 50 Euro.
- Je jünger, um so gesünder ist man in der Regel. Alle Gesundheits-verschlechterungen, die nach dem Vertragsabschluss auftauchen, sind versichert. Wenn aber die ersten Zipperlein aufgetaucht sind und danach der Vertrag gemacht werden soll, kann es teurer werden. Das muss gar nichts Gravierendes sein. Und falls es was Gravierendes ist, wirst du nirgends mehr genommen.
Dazu ein Beispiel aus meinem Kundenkreis: Vor 2 Jahren hatte ich eine Mutter beraten, die für ihren Sohn eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen wollte. Er begann gerade mit dem Studium, und sie meinte zu Recht, das sei ein guter Zeitpunkt. Nachdem der Vertrag unter Dach und Fach war, interessierte sie sich für eine Pflegeversicherung für sich selbst.
Es folgten Online-Beratung, Versenden der Beratungsdokumentation, Vergleichstabellen. Nach einigen Wochen eine Erinnerungsmail, da sie nichts mehr von sich hören ließ. Und wie das oft so ist, die Antwort: viel zu tun, noch keine Zeit gehabt, die Unterlagen anzuschauen, sie meldet sich.
Das tat sie dann auch, aber erst vor Kurzem und somit fast 2 Jahre nach der Erstberatung. Ich hörte gleich an ihrer Stimme, dass etwas vorgefallen war. Und tatsächlich: Im November 2022 wurde bei ihr Krebs diagnostiziert. Ob jetzt noch der Abschluss der Pflegeversicherung geht?
Leider wahrscheinlich nicht. Die anonymen Voranfragen bei verschiedenen Versicherern laufen noch, aber die ersten Ablehnungen sind da. Und ich fürchte, dabei bleibt es. Das einzige, was sie noch machen kann:
Pflege-Bahr
Das ist eine staatlich geförderte, private Pflegeversicherung. Benannt wird sie nach dem ehemaligen Gesundheitsminister Daniel Bahr, der seinerzeit die Gesetzesinitiative einbrachte.
Ihr Vorteil: keine Gesundheitsprüfung und eben die staatliche Förderung (60 Euro jährlich).
Nachteile sind eine Wartezeit von 5 Jahren und die Begrenzung der Leistung auf folgende Werte:
Pflegegrad 1: 60 Euro monatlich
Pflegegrad 2: 120Euro monatlich
Pflegegrad 3: 180 Euro monatlich
Pflegegrad 4: 240 Euro monatlich
Pflegegrad 5: 600 Euro monatlich.
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Herzliche Grüße
Jürgen Puderbach